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Umzüge nach dem Brexit: Viel Arbeit und hohe Unsicherheit

„Goodbye United Kingdom“: Seit dem 1. Januar 2021 gehören die meisten Länder der Britischen Inseln endgültig nicht mehr zum Zollverbund der Europäischen Union. Möbelspediteure mit England-Geschäft sind gut beraten, jede Fahrt wie eine Tour in einen Drittstaat zu planen – vorerst, denn konkrete Regeln zu Zollfragen fehlen noch. Was es aktuell zu beachten gilt, lesen Sie hier.

Brexit: England ist jetzt raus aus der Zollunion

Schon seit Ende Januar 2020 war das Vereinigte Königreich (VK) kein Teil der Europäischen Union (EU) mehr. Zu Beginn dieses Jahres ist nun auch die elfmonatige Übergangsfrist abgelaufen. Das bedeutet: England, Wales und Schottland gehören nicht mehr der EU-Zollunion an. Für Nordirland sollen gewisse Ausnahmen gelten.

Noch keine offizielle zollrechtliche Regelung

Doch was das konkret für die Logistikbranche bedeutet, ist noch nicht klar. Am 24. Dezember 2020 – kurz vor Toresschluss – unterzeichneten die Europäische Union und das Vereinigte Königreich ein Abkommen, das den beteiligten Ländern bestimmte Sonderrechte im Warenverkehr einräumt. Doch das sogenannte EU-UK Trade and Cooperation Agreement (TCA) muss noch von sämtlichen Länderparlamenten genehmigt werden. Bis dahin gelten die Regelungen nur vorläufig.
Was die Vereinbarung für die Umzugsbranche konkret bedeutet, steht bislang nicht fest. „Eine substanziell belastbare Aussage der britischen Regierung oder des britischen Zolls liegt uns noch nicht vor“, sagt Dierk Hochgesang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Möbelspedition und Logistik (AMÖ). Wann man damit rechnen könne, sei nicht abzusehen. „Derzeit wissen wir nur von den Unternehmen, die England-Verkehre durchführen, wie das Ganze in der Praxis abgewickelt wird.“

England-Transporte zunächst wie Drittstaaten-Touren behandeln

Die Kollegen berichteten, bisher laufe es „ganz ordentlich“, vergleichbar mit einem „normalen“ internationalen Transport, so Hochgesang. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass die Verfahren sich noch ändern. „Insbesondere bei den zollrechtlichen Fragen bleibt abzuwarten, wie das Verhältnis zum Vereinigten Königreich ausgestaltet wird“, sagt auch Sue Ann Becker, die als Syndikusrechtsanwältin Kunden beim Möbellogistik-Dienstleister DMG bei Rechtsfragen unterstützt.
In der Zwischenzeit behelfen sich erfahrene Umzugsunternehmen wie die internationale Spedition Frey & Klein aus Simmern im England-Geschäft mit der internen Regelung, Transporte von und auf die Britischen Inseln zollrechtlich wie Touren in Drittstaaten zu behandeln. „Das bedeutet vor allem, genug Zeit für die Organisation und Vorbereitung einzuplanen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Stefan Klein, dessen Unternehmen einen England-Linienverkehr unterhält und das Vereinigte Königreich wöchentlich mit mehreren Möbelwagen-Zügen anfährt.

Checkliste: Das sollten Sie als Umzugsspediteur bei Umzügen ins Vereinigte Königreich aktuell beachten

  • Für die Einreise nach England reicht der Personalausweis.
  • Der EU-Führerschein wird im Vereinigten Königreich als Fahrerlaubnis weiterhin akzeptiert.
  • Die CEMT-Umzugsgenehmigung ist ebenfalls noch gültig. Wer aber auch Neuware transportiert, braucht zusätzlich eine CEMT-Genehmigung für den allgemeinen Warenverkehr. „Im Falle einer Kontrolle muss der Frachtführer beide vorlegen können“, erklärt Alex Kiefer, bei Frey & Klein zuständig für Vertrieb und Zollangelegenheiten. Die Genehmigung kann beim Bundesamt für Güterverkehr in Berlin beantragt werden, ist aber an gewisse Voraussetzungen geknüpft. Zudem muss derzeit mit langen Bearbeitungszeiten gerechnet werden.
  • Bevor der Umzugstransporter auf die Fahrt Richtung England losgeschickt wird, muss die Ausfuhranmeldung abgeschlossen sein. Das bedeutet: Wer die umzuziehenden Güter auf Lager hat, meldet dies dem zuständigen Zollamt. Die Anmeldung erfolgt über die Zoll-Software ATLAS. Die Beamten können das Umzugsgut vor Ort beschauen und die Freigabe zur Ausfuhr erteilen. Anschließend erhält man das sogenannte Ausfuhrbegleitdokument (ABD). Wichtig: Bestandteil des Dokumentes ist die Movement Reference Number (MRN). „Die müssen Sie bei der Buchung der Überfahrt an die Fährgesellschaft weiterleiten. Ohne die MRN kommen Sie nicht aufs Schiff“, betont Kiefer.
  • Das Ausfuhrbegleitdokument wird auch beim Bestimmungszollamt noch einmal benötigt. Im Falle des Verkehrs ins Vereinigte Königreich ist dieses Zollamt im französischen Calais beheimatet, genauer im Fährhafen für die Überfahrt nach Dover. „Damit stellt man das Umzugsgut zur Ausfuhr vor und bekommt einen Transitschein, mit dem man in Dover gestellt wird, das heißt das Umzugsgut beim britischen Zoll anmeldet“, erklärt Kiefer den Ablauf.
  • Für die Gestellung beim britischen Zoll benötigt der Spediteur zwingend die individuelle Nummer des ToR1-Dokumentes (Transfer of Residence) des Umziehenden. Ohne diese Nummer ist eine Zollabfertigung jenseits des Ärmelkanals nicht möglich. Der Kunde muss aber nicht persönlich anwesend sein. Angehörige der Bundeswehr oder der deutschen Botschaft benötigen spezielle Formulare (C2 beziehungsweise C462).
  • Laut Experte Kiefer ist während der Fahrt in England eine Pack- und Ladeliste in englischer Sprache sowie ein CMR-Frachtbrief mitzuführen. Zusätzlich sind die normalen Arbeitspapiere und die üblichen Nachweise zu den Lenk- und Ruhezeiten vonnöten.

Checkliste: Das sollten Sie und Ihre Kunden wissen

  • Auf Umzugsgut werden beim Umzug aus der Europäischen Union ins Vereinigte Königreich (und umgekehrt) in der Regel keine Zölle oder Abgaben fällig – allerdings nur, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Bedingung 1: Der Umziehende hat mindestens zwölf Monate in dem Land gelebt. „Als Nachweis kann ein Mietvertrag, eine Stromrechnung oder eine Bescheinigung des Arbeitgebers dienen“, sagt Alex Kiefer. Bedingung 2: Das Umzugsgut muss mindestens sechs Monate in Besitz und Gebrauch des Umziehenden sein.
  • Zum Umzugsgut – auch Übersiedlungsgut genannt – gehört insbesondere der Hausrat wie Möbel, Kleider, Bücher und Musikinstrumente. Ist Erbschaftsgut enthalten, muss bei der Zollabfertigung ein notariell beglaubigter Erbschein und die dazugehörige Erbschaftsgut-Liste vorgelegt werden.
  • „Alkohol, Tabak und alle Gegenstände, die gewerblich genutzt werden, zählen nicht zum Umzugsgut und sind somit zu verzollen“, erklärt Anwältin Becker. Kiefer von Frey & Klein rät Kollegen, grundsätzlich keine Tabakwaren im Umzugsgut zu akzeptieren – ebenso wenig wie Wertpapiere, Schmuck, Juwelen oder gar Bargeld: „Wertgegenstände sollte der Kunde in seinem Privatgepäck transportieren.“ Grundsätzlich nicht eingeführt werden dürfen Gefahrstoffe, Waffen, Drogen, Fleisch, Milch und tierische Lebensmittel.
  • Auch ein privat genutztes Fahrzeug zählt zum abgabenfreien Umzugsgut, sofern es länger als sechs Monate dem Umziehenden gehört. Für jedes weitere Fahrzeug müssen Zollsteuern bezahlt werden. Für Anpassungen des Fahrzeuges an den britischen Straßenverkehr – beispielsweise Abkleben der Scheinwerfer – ist allein der Kunde verantwortlich. Technische Umbauten sind in der Regel nicht notwendig.
  • Auf seine Zimmerpflanzen muss der Kunde in England verzichten, denn diese dürfen nicht ins Vereinigte Königreich eingeführt werden. Umgekehrt gilt das auch, die Europäische Union akzeptiert ebenfalls keine Zimmerpflanzen.
  • Haustiere dürfen prinzipiell mit ins Vereinigte Königreich umziehen, doch es gelten sehr strenge Regeln. Damit Hund, Katze und Co. überhaupt einreisen dürfen, besteht beispielsweise eine Impfpflicht gegen Tollwut mit 21-tägiger Wartezeit. Zudem ist ein implantierter Mikrochip zur Identifizierung vorgeschrieben. Wer sich mit Tiertransporten und den zahlreichen und komplizierten Vorschriften nicht sehr gut auskennt, dem empfiehlt Alex Kiefer dringend die Zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistern. Geeignete Partner könnten laut Sue Ann Becker zum Beispiel PetAir, Gradlyn Petshipping oder Bliss Pet Services sein.
  • Damit der Kunde all das bisher Beschriebene überhaupt ins Vereinigte Königreich einführen darf, hat er eine entscheidende Formalität im Vorfeld zu erledigen: das Ausfüllen des sogenannten ToR1-Dokumentes. „Ohne ToR1-Anmeldung kann der Umzug nicht stattfinden“, betont Kiefer. Dies geschieht über ein Online-Formular auf der Internetseite der britischen Zollbehörde HMRC. Dazu muss der Umziehende verschiedene Dokumente und Nachweise bereithalten, die auf der Seite aufgeführt sind.
  • Um aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland umzuziehen und dabei den Hausrat zollfrei mitnehmen zu können, muss der Kunde eine außertarifliche Zollbefreiung beantragen: Beim deutschen Zoll über das Formular 0350 („Zollanmeldung für Übersiedlungsgut“). In der Regel übernimmt der Möbelspediteur diese Aufgabe. Vorliegen müssen dafür eine aktuelle Anmeldung beim Einwohnermeldeamt, der Nachweis, dass der Kunde die vergangenen zwölf Monate im Ausland gelebt hat, eine Zoll-Vollmacht für den Spediteur sowie die Packliste. Das Umzugsgut muss nach der Anmeldung noch mindestens ein Jahr in Besitz des Kunden bleiben.

Achten Sie auf Neuigkeiten aus den Verbänden

Viele dieser Tipps müssen Sie als vorläufige Hinweise aus der derzeit laufenden Praxis verstehen. Das eine oder andere kann sich im Laufe der nächsten Monate durchaus noch ändern. Umzugsunternehmen sollten deshalb auf aktuelle Informationen aus den Berufs- und Branchenverbänden achten. „Wer eine Kundenanfrage für einen Umzug von oder nach England hat, kann auch bei Kollegen aus dem Netzwerk mal nachhaken, die solche Touren schon gefahren sind“, rät Alex Kiefer. Auf jeden Fall kosten Vorbereitung und Organisation Zeit und Geld. Im Einzelfall kann es daher einfacher sein, eine solche Tour an erfahrene Spediteure weiterzuvermitteln.

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